SRH Hochschule Heidelberg
Leben

Corona contra geben! Tipp #18: Die Angst vor Corona – trotz Impfung

Die Infektionszahlen sind gestiegen und mit ihnen die Angst. Wie Sie mit Ihren Ängsten und Unsicherheiten trotz Impfung umgehen können, erfahren Sie von Prof. Dr. Helena Dimou-Diringer und Dr. Alexandra Edinger von der HAP.

Prof. Dr. Helena Dimou-Diringer und Dr. Alexandra Edinger aus der SRH Heidelberger Akademie für Psychotherapie geben in dieser Reihe wertvolle Tipps für den Alltag in Corona-Zeiten. Unten stehend finden Sie die Links zu den bisherigen Folgen.

1 - Betrachten Sie das ganze Spektrum

Unbestritten, die Inzidenzzahlen sind hoch und die Krankenhäuser voll! Das macht natürlich Angst. Aber was ist eigentlich anders? Beziehen Sie den Kontext mit ein! Lassen Sie uns zurückkehren zum April 2020. Zum damaligen Zeitpunkt war alles neu. Wir hatten kein Desinfektionsmittel, keine Masken, keine Schutzscheiben, keinen Impfstoff, das Sicherheitsverhalten sowie die Hygienemaßnahmen waren noch neu und ungewohnt in der Umsetzung. Eine flächendeckende Testinfrastruktur gab es nicht. Der entscheidende Unterschied lautet also: wir sind jetzt Corona-Profis! Wir haben Möglichkeiten des Umgangs mit der schwierigen Situation.

2 - Rationalität versus Emotionalität

Angst ist eine wichtige Emotion, die so eingerichtet wurde, dass sie uns vor Gefahren schützt. Dabei kann die Angst selbst aber nicht zwischen gerechtfertigter und ungerechtfertigter Angst unterscheiden. Dazu müssen wir unsere Vernunft, unsere Ratio, einschalten. Sie hilft uns, relevante von irrelevanten Gefahren zu unterscheiden. Die Corona-Pandemie stellt, trotz ihrer mittlerweile fast zweijährigen Dauer, eine dennoch recht neue Bedrohung dar. Daher sind wir leicht zu verunsichern. Abhilfe schafft hier die Berufung auf unseren zwar noch kleinen, aber dennoch vorhandenen Erfahrungsschatz sowie den Einbezug seriöser Quellen. Das tückische an der Angst ist, dass sie uns blind machen kann und verhindert, dass wir klar denken können. Daher: hängen Sie nicht einem Katastrophengedanken nach dem anderen nach, sondern informieren Sie sich!

Netter Nebeneffekt: sobald wir uns in einen rationalen Gemütszustand versetzen, indem wir uns z.B. mit Fakten und seriösen Informationen auseinandersetzen, sinkt die Angst automatisch.

3 - "Die Impfung bringt nichts: Trotz Impfung gibt es immer mehr Geimpfte auf Intensivstationen!"

Was macht diese Überschrift mit Ihnen? Löst Sie Angst und Unbehagen aus? Erwischt! Auch hartgesottene Realisten kommen bei solchen Aussagen ins Straucheln. Und genau hier gilt es anzusetzen: Lesen Sie nicht nur Schlagzeilen und verharren dann in Angst. Lesen Sie weiter und gehen Sie der Sache auf den Grund!

Prüfen Sie die Inzidenzzahlen kritisch: wie sieht die Inzidenz bei Geimpften versus Ungeimpften aus? Um was geht es? Die Wahrscheinlichkeit sich anzustecken? Diese ist hoch, umso länger die Pandemie andauert. Oder geht es um die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs oder hieran zu versterben? Diese Wahrscheinlichkeit ist deutlich geringer. Bei bestehendem Impfschutz bedeutet eine Ansteckung vermutlich nur einen milden Verlauf. Eine Ansteckung mit dem Virus ist also nicht gleich zu setzen mit einem Klinikaufenthalt oder gar dem Tod.

Lassen Sie uns diese Tatsache mit einem Beispiel, ganz mathematisch und rational, durchexerzieren: Ja, auch Geimpfte befinden sich in Kliniken. Aber stellen Sie sich vor, jeder Mensch wäre gegen das Virus geimpft, dann wären auch 100% der Menschen in den Kliniken geimpft. Das heißt aber nicht, dass die Impfung nichts bringt, sondern nur, dass sie nicht zu 100% wirksam ist. Die absolute Zahl der PatientInnen ist kleiner, als sie ohne Impfung wäre. Kurz gesagt: die steigende Impfquote ist der Grund, warum sich auch immer mehr Geimpfte mit dem Virus infizieren. Da die Mehrheit geschützt ist, summieren sich auch vergleichsweise seltene Impfdurchbrüche zu beachtlichen Zahlen auf. Aber: das ist ein rein mathematischer Effekt, der nichts über die Qualität der Seren aussagt (nach Martin Mair – Wissenschaftsredakteur von Deutschlandfunk Kultur).

Darüber hinaus neigen wir Menschen zur Selektivität. Das bedeutet, dass wir vorzugsweise Informationen konsumieren, die unserem bestehenden Meinungsbild entsprechen. Stellen Sie sich hier immer wieder kritisch auf den Prüfstand und achten Sie auf eine Ausgewogenheit der Informationen, die Sie recherchieren. Bleiben Sie wachsam.

4 - Nutzen Sie Ihre erworbenen Fähigkeiten

Die wichtige Nachricht lautet: all das haben wir schon erlebt! Und zwar ganz unbedarft. Greifen Sie auf Ihre Fähigkeiten, die Sie in den letzten 1,5 Jahren entwickelt haben, zurück. Sie sind in der Lage, Quellen kritisch zu prüfen, Informationen einzuordnen und beherrschen die AHA-Regeln. Ein großer Vorteil, verglichen mit dem letzten Jahr. Das bedeutet: wir haben einen Einfluss und können direkt auf die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung einwirken.

5 - Exkurs: Omikron

Insbesondere bei der neu aufgetretenen Virus-Variante gilt Punkt 3 dieses Artikels besonders: bleiben Sie nicht an Schlagzeilen hängen. Die Variante ist noch unbekannt, Stand heute scheint sie allerdings teilweise nur milde Verläufe zu bewirken. Aber an Aussagen zu Schweregraden ist noch nicht viel Substanz, da einfach noch kein Wissen zu Verläufen besteht. Auch solche Unsicherheiten gilt es auszuhalten. Achten Sie erneut auf die Ausgewogenheit der Informationsaufnahme. Nach dem Lesen von Schlagzeilen schütteln Sie den ersten Schauer ab und lesen einfach weiter. Das fällt Ihnen schwer? Dann halten Sie sich zunächst zu folgendem, hilfreichen Gedanken: „Stopp, ich bin geimpft!“ Wie die Delta-, Alpha- und Beta-Variante werden wir auch die Omikron-Variante überstehen.

6 - Die Kehrseite der Medaille

Die erneuten Einschränkungen, die vielerorts bereits auf uns warten, führen auch wieder dazu, dass psychische Auffälligkeiten zunehmen. Ein unvorhersehbarer Alltag bedeutet Kontrollverlust, der wiederum zu Hilflosigkeit, Ohnmacht, Ängsten sowie depressiven Verstimmungen führen kann. Wir dürfen nicht aus den Augen verlieren, dass ein positiver Corona-Test nicht das einzig Schlimme ist, was uns widerfahren kann. Die übermäßige Betonung einzelner Maßnahmen führt zu einer Imbalance und resultiert häufig in Folgeerkrankungen oder anderen Nachteilen.

Ganz unmittelbar spüren dies Betroffene, deren geplante Operationen aufgrund voller Krankenhäuser verschoben werden mussten. Zum Teil auf unbestimmte Zeit. Machen Sie sich dieser Facette der Pandemie bewusst, wenn Sie die Angst wieder überkommt.

Fazit

Es bleibt uns nichts anderes übrig, als uns auf eine neue Realität mit dem Corona-Virus einzustellen. Covid-19 wird uns begleiten, wir können jedoch verhindern, dass es uns jeden Winter wellenartig übermannt. Ergreifen Sie alle Schutzmaßnahmen, die uns zur Verfügung stehen (Hygiene, Impfschutz, Tests) - und dann leben Sie!

Wir wünschen ihnen frohe Weihnachten, hoffentlich ohne Isolation.

Hier geht es zu den bisher erschienenen Tipps der Reihe "Corona contra geben":